Geschichte
Etwa seit der Mitte des 16. Jahrhunderts lebten in Westpreußen Mennoniten. Weil sie sich dort stark vermehrten, brauchten sie ständig neues Land. Als Westpreußen 1772 im Zuge der polnischen Teilungen preußisch wurde, wurden von der preußischen Regierung Gesetze erlassen, die den Landerwerb für die Mennoniten erschwerten. Dadurch verarmten große Teile der mennonitischen Bevölkerung und waren gezwungen, in die umliegenden Städte zu ziehen, vor allem nach Danzig.
1763 erließ Katharina II. ein Manifest zur Einladung deutscher Bauern nach Russland. Danach bereisten Werber Deutschland um diese Einladung überall bekannt zu machen. Einer davon war Georg von Trappe, der 1786 die Mennoniten in Danzig besuchte. Auf seine Vermittlung wurden zwei Abgesandte nach Russland geschickt: Jakob Höppner und Johann Bartsch. Nach Verhandlungen mit der russischen Regierung wurden u.a. folgende Bedingungen vereinbart:
• Religionsfreiheit
• Befreiung von Wehrdienst
• 65 Desjatinen freies Land für jede Familie
(damals Alexandrowsk) Von dieser Insel bekam die gesamte Kolonie ihren Namen. In den nächsten Jahren kamen weitere Siedler - bis 1797 sollen insgesamt etwa 400 Familien von Westpreußen nach Russland gekommen sein.
Als 1803 die nächste mennonitische Siedlerwelle nach Russland kam um die Siedlung Molotschna zu gründen, überwinterten die neuen Siedler bei ihren Glaubensbrüdern in Chortitza. Weil sie dort Geld ausgaben, half das auch der Siedlung Chortitza. Schließlich kam die Wirtschaft in Chortitza in Gang und die Siedlung erblühte. Im Laufe des 19. Jahrhunderts vervielfachte sich die Bevölkerung von Chortitza, so dass Tochterkolonien gegründet wurden. Ein Teil zog auch nach 1870 nach Kanada. Da Chortitza als erste mennonitische Siedlung gegründet wurde, wird sie auch Alt-Kolonie genannt. Die Nachkommen der Auswanderer aus Chortitza in Nordamerika werden manchmal Old-Colonier, sie sind konservativer als die meisten anderen mennonitischen Einwanderer aus Russland in Nordamerika.
Es waren bei der Gründung viele Handwerker nach Chortitza gekommen , die nun als die Siedlung die ersten wirtschaftlichen Schwierigkeiten überwand, ihr Handwerk ausüben konnten. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Industrie in Chortitza, vor allem Mühlenwesen, Landmaschen- und Uhrenherstellung. In den Fabriken konnte auch die anwachsende landlose Bevölkerung Arbeit finden. Drei große Fabriken: Lepp & Wallmann, Abram J. Koop, Hildebrand & Pries und zwei kleinere Fabriken Thiessen und Rempel stellten in Chortitza und Rosental landwirtschaftliche Maschinen her. Die hergestellten Landmaschinen waren nicht nur zum Eigenverbrauch der Mennoniten in Russland bestimmt. Aus einer Vereinigung von drei großen Fabriken ging ein Betrieb hervor, in dem später (nach der Revolution 1917) Traktoren und Autos der Marke Saporoschetz hergestellt wurden. Heute gehört der Betrieb zu AvtoZAZ-Daewoo. Die ehemaligen mennonitischen Besitzer wurden natürlich schon kurz nach 1917 enteignet.
Nach einer langen Prosperität brachte der 1. Weltkrieg 1914-1918 und der anschließende Bürgerkrieg einen Einschnitt in das Leben der Einwohner von Chortitza. Während des Kriegs mussten die Mennoniten als Sanitäter dienen. Sie versorgten dort verletzte Soldaten. Nach dem Krieg wurde die Ukraine und damit auch die Siedlung Chortitza kurze Zeit von der deutschen Armee besetzt. Als Deutschland Ende 1918 den Krieg gegen die Entente verlor, mussten die Soldaten abgezogen werden. Von der deutschen Armee wurde deshalb der russlanddeutsche Selbschutz organisiert und mit Waffen versorgt. An dem Selbstschutz nahmen auch Mennoniten teil, obwohl sie ursprünglich aus religiösen Gründen gegen den Waffendienst waren. Wegen der kommunistischen Machtübernahme 1917 entstand der Bürgerkrieg, der bis etwa 1921 dauerte. Während dieser Zeit herrschten in der Ukraine chaotische Zustände. Die wohlhabenden deutschen Kolonien wurden von verschiedenen Banden angegriffen. Besonders ausgezeichnet hat sich dabei Nestor Machno. Eine Zeit lang versuchte man sich mit Hilfe der Selbstschutzorganisation zu verteidigen. Als sich schließlich Machno mit der sowjetischen Regierung verbündete, musste man aufgeben. Die mennonitischen Siedlungen waren zur Ausraubung freigegeben.
Nachdem die Kommunisten Kontrolle über das Gebiet übernommen hatten, begannen sie die Landbevölkerung mit Nahrungsmittelkontributionen auszupressen. Schließlich fingen die Menschen zu hungern an und es breiteten sich Epidemien aus. In dieser Zeit begann man die Auswanderung der Mennoniten nach Kanada zu organisieren. Als sich die Situation normalisierte wanderten in den 1920ern viele Menschen aus.
Beim Bau des Dneprogres Staudamms am Dnjepr 1926 musste das Dorf Einlage wegen Überflutung verlegt werden. Wie viele andere Mennoniten musste man auch in Chortitza unter Entkulakisierung in den 1920ern und Kollektivierung 1930 leiden. Als der 2. Weltkrieg 1941 begann sollten die Einwohner von Chortitza nach dem Willen der Sowjetregierung nach Sibirien deportiert werden. Da die Wehrmacht so schnell voranschritt, konnten diese Pläne nicht verwirklicht werden. Unter der deutschen Besatzung konnte sich die Bevölkerung von Chortitza etwas erholen. Aber schon 1943 musste die deutsche Bevölkerung nach Warthegau evakuiert werden, da die Wehrmacht sich aus der Sowjetunion zurückziehen musste. Bei ihrem Einmarsch in Deutschland bekam die Rote Armee diese Flüchtlinge zu fassen. Einige konnten sich weiter ins Landesinnere retten. Aber auch sie mussten von den Alliierten als sowjetische Bürger an die Sowjetunion ausgeliefert werden. So wurden mit wenigen Ausnahmen die ehemaligen Einwohner von Chortitza nach Sibirien und Kasachstan deportiert. Dort wurden sie vielfach in der nackten Steppe ausgesetzt. Viele überlebten das nicht. Sie mussten das Schicksal der anderen Russlanddeutschen teilen. Nach der Abschaffung der Kommandatur 1956 (Beschränkungen der Reisefreiheit), kehrten nur wenige in ihre alte Heimat Chortitza zurück. Dort leben heute Ukrainer und Russen. Die wenigen Mennoniten, die noch dort leben, haben entweder russische Elternteile oder Ehepartner. In Kasachstan sammelten sich die Mennoniten vielfach in den entstehenden Industriestädten wie Karaganda.
Ende der 1980er-Jahre begann schließlich die Auswanderung nach Deutschland. Heute befinden sich die meisten noch lebenden ehemaligen Einwohner von Chortitza und ihre Nachkommen in Deutschland.
Basierend auf dem Artikel Chortyzja (Mennonitensiedlung) der freien Enzyklopädie Wikipedia unter der GNU Free Documentation License.
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