Geschichte
Der Ursprung des Ortes Neckargartach liegt im einstigen Ort Böllingen im Leintal, von dem heute nur noch die Böllinger Höfe zeugen, und der vermutlich als alemannische Siedlung um das 4. Jahrhundert angelegt und im Jahr 767 erstmals erwähnt wurde. Gardach war zunächst ein außerhalb von Böllingen liegendes Hofgut, wuchs aber bis ins 9. Jahrhundert zu bedeutenderer Größe als der ursprüngliche Hauptort und gelangte in den Besitz des Klosters Lorsch. Im Jahr 1161 wurde der Ort als „Neccargardacha“ (zur Unterscheidung von Großgartach und Kleingartach) in einer Urkunde Kaiser Barbarossas erwähnt. Der Ortsname leitet sich von seiner Lage an der Einmündung des Leinbachs (der früher Gartach hieß) in den Neckar ab .
Neckargartach war im Mittelalter und zu Anfang der Neuzeit mit Etter und Graben umgeben. Der Ort war durch drei Tore gesichert, wobei eines der drei Tore am nördlichen Ende, das zweite am südlichen Ende der Hauptstraße lag. Das dritte Tor war westlich beim Schafhaus. Eine weitere Befestigung war der nordwestliche Teil Neckargartachs mit Burgkirche, Kirchenterrasse, Pfarrgarten und Pfarrhaus. Die Wehrkirche diente somit auch als sicherer, fester Zufluchtsort.
Neckargartach gelangte im 11. Jahrhundert in Besitz und unter Oberlehensherrschaft des Bistums Worms bzw. des Wormser Stifts, das im Jahr 1323 die Herren von Weinsberg mit dem Dorf belehnte. Diese verkauften das Lehen über Neckargartach im Jahre 1341 um 1200 Pfund Heller als Unterlehen den Heilbronner Patriziern Feurer, Gebwin und Erer, während die Oberlehensherrschaft des Wormser Hochstifts weiterbestand. Die Nutznießung hatte das Bistum Worms schon vorher den Mitgliedern des Heilbronner Patriziats erlaubt . 1361 bekräftigte Bischof Ditrich von Worms die Unterlehensherrschaft des Heilbronner Geschlechter unter den Herren von Weinsberg. 1399 wurde der Ort von württembergischen Truppen niedergebrannt. 1440 kam Neckargartach mit der Herrschaft Weinsberg, an die Pfalz und 1504 ging im pfälzischen Krieg durch Eroberung die Oberlehensherrschaft über das Dorf auf das Haus Württemberg über, was einen Jahrhunderte währenden Streit zwischen Württemberg und der Reichsstadt Heilbronn auslöste. Neben Heilbronn und dem Haus Württemberg hatten auch die Klöster Billigheim, Hirsau, Lauffen, Odenheim, das Ritterstift St. Peter zu Wimpfen im Tal, das Heilbronner Klarakloster, die Heilbronner Deutschordenskommende, der Heilbronner Spital und noch andere Herren Lehensansprüche oder Höfe in Neckargartach.
Heilbronn ließ das Regiment über ihr Dorf von einem von ihnen eingesetzten Vogt ausüben. Der Heilbronner Vogt übte die Gerichtsbarkeit aus, weiterhin hatte er unter anderem das Recht zur Jagd und zur Fischerei in Neckargartach. Die Männer aus der Gemeinde Neckargartach (die Gemeinsmänner) waren dazu verpflichten den Vogt jedes Jahr zu huldigen und in das Kirchengebet einzuschließen. Der eingesetzte Vogt war vor der Mitte des 17. Jahrhunderts meist einer der drei Bürgermeister Heilbronns. Ab der Mitte des 17. Jhdts war das immer einer der drei Bürgermeister, der dann einmal im Jahr in Neckargartach das Vogtgericht abhielt, die Rechnungen abhörte, das Gericht und andere Ämter neu besetzte und die neuen Dorfbeamten vereidigte. Der städtische Vogt übte auch das Ruggericht aus. Der Schultheiß Neckargartachs war zuerst mit der niederen Gerichtsbarkeit beauftragt. In der ersten Hälfte des 16. Jhdts. gab es in Neckargartach den reisiger Schultheiß, der aufgrund eines Dienstverhältnisses und gegen Entgelt als Schultheiß arbeitete und im Kriegsfall der Stadt (Heilbronn) zu Pferde dienen sollte und seit Mitte des 16. Jhdts als Bauernschultheiß bezeichnet wurde. Dem Neckargartacher Schultheiß stand das Gericht mit zwölf Richtern zur Seite, seit 1658 weitere acht Gemeinsmänner sog. Zwanziger.
Im Mittelalter gehörte das Dorf Neckargartach kirchlich zum Bistum Worms, dessen Gebiet östlich bis an den Neckar ging. 1425 wird zum ersten Mal eine Pfarrei für den Ort Neckargartach erwähnt, wobei 1439 und 1551 ein Bau einer Kirche genannt wird. 1767 musste die alte Kirche aufgrund Baufälligkeit abgebrochen und durch den Neubau der heutigen Peterskirche ersetzt werden, wobei Frankenbach und Böllingen Filialen der Neckargartacher Peterskirche wurden. Der Heilbronner Deutschorden übte jedoch das Vorschlags- und Bestätigungsrecht im Falle der Neubesetzung aus, wobei sich der Deutschorden der Reformation widersetzte. Die Reformation wurde in Neckargartach daher erst gegen Mitte des Jahrhunderts realisiert werden.
Nach 1802 mit der Eingliederung in Württemberg kam Neckargartach zu dem neugegründeten evangelischen Dekanat heilbronn. 1806 wurden den Katholiken in Württemberg die gleichen Rechte zugesprochen wie den Protestanten und zogen auch nach Neckargartach, wobei diese zu der Pfarrei St. Peter und Paul gehörten. Erst seit 1959 haben diese eine eigene Kirche, St. Michael. Seit 1864 gab es im Ort auch eine kleine evangelisch-methodistische Kirchengemeinde, die 1890 ihre Ebenezer-Kapelle baute, wobei diese 1983 mit Frankenbach zu einer Gemeinde vereinigt wurde. Nachdem auch Frankenbach ein Stadtteil von Heilbronn wurde gehört die Kirchengemeinde der Heilbronner Friedenskirchengemeinde an.
Nach der Schlacht bei Wimpfen im Mai 1622 wurde der Ort durch die spanische Armee unter Córdoba, der sein Quartier bei Neckargartach aufgeschlagen, zerstört. Die spanische Armee soll die "scheußlichsten Grausamkeiten" gegen Frauen und Mädchen ausgeübt, den Ort niedergebrannt und zum Löschen eilende Bewohner getötet haben. 1664 gab es eine große Feuersbrunst und im Jahr 1675 wurde der Ort im Französisch-Niederländischen Krieg von Franzosen erneut niedergebrannt.
Von 1738 bis 1756 gab es einen Aufstand der Neckargartacher gegen die Stadt Heilbronn. Die Einwohner lehnten sich gegen eine Neuordnung der Leibeigenschaft auf. 1747 wurde der Schulmeister Johann Philipp Hagner inhaftiert, der sich als Kopf des Widerstands profiliert hatte. 1754 wurde die Oberlehensherrschaft (dominium directum) über Neckargartach von Württemberg an Heilbronn um 25 000 Gulden verkauft. Am 9. Mai 1755 schickte der Heilbronner Rat 90 Mann, die mit 60 Mann aus den Kreistruppen unter Hauptmann von Thumb das Dorf einnahmen. Am 28. Oktober 1758 wurden Hagner und andere Neckargartacher zu lebenslanger Haft verurteilt, in der diese auch dann verstorben sind.
Als Heilbronn nach den Revolutionskriegen 1802 seine Reichsfreiheit verlor, wurden seine vormals reichsstädtischen Dörfer, darunter auch Neckargartach, zu selbstständigen Gemeinden innerhalb des neuen Oberamtes Heilbronn. Dem Ort stand ein Schultheiß vor, der die Gerichtsbarkeit ausübte.
Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts war Neckargartach rein bäuerlich geprägt, es wurde Landwirtschaft und Weinbau betrieben. Bereits 1295 wurde eine Mühle erwähnt, zu Beginn des 14. Jahrhunderts gab es bereits drei Mühlen. Im Jahr 1840 siedelte sich Johann Jakob Widmann im Leinbachtal (heute: Widmannstal) mit seiner Papiermaschinenfabrik an und legte damit den Grundstein für die Indutrialisierung Neckargartachs. Weitere größere Betriebe in Neckargartach waren drei Brauereien, eine chemische Fabrik sowie die 1898 gegründete Dampfziegelei. Auch durch die entstehenden Fabriken im nahen Heilbronn wandelte sich der Ort vom Bauerndorf zur Arbeitersiedlung. Die Einwohnerzahl verdoppelte sich vom Jahr 1800 mit 810 Einwohnern bis zum Jahr 1863 auf 1650, und abermals bis zum Jahr 1900 auf 3224. Die Industrialisierung sorgte bis in die 1860er Jahre für einen gewissen Wohlstand der Gemeinde. Zwischen 1880 und 1910 erlebte das Bürgertum eine Blüte, zwei Schulen wurden errichtet und zahlreiche Vereine wurden gegründet. Von 1894 bis 1907 war Ludwig Konrad Pfau Schultheiß in Neckargartach, er wurde 1907 in Anerkennung seiner Verdienste für Neckargartach zum Ehrenbürger ernannt.
1895 wurde mit dem Neckargartacher Automobil das erste Automobil in Württemberg gebaut.
Von 1903 bis 1905 wurde die Neckargartacher Neckarbrücke gebaut, die den Ort mit Heilbronn verband und damals die größte von insgesamt 119 Neckarbrücken war. Die Brücke mit einer Gesamtlänge von 230 Metern überspannte in fünf Bögen den Fluss und wurde am 21. September 1905 eingeweiht. Oberbaurat Schaal, der die Bauleitung hatte, wurde an diesem Tag zum Ehrenbürger ernannt. Die Brücke wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und danach durch einen Brückenneubau ersetzt.
Ab 1928 verkehrte die Heilbronner Straßenbahn bis Neckargartach. Der einstige Wohlstand der Gemeinde wurde jedoch durch den Unterhalt der sozialen und öffentlichen Einrichtungen sowie die Inflation und die Weltwirtschaftskrise in den 1920er Jahren aufgebraucht, so dass im Juni 1933 ein vom württembergischen Innenministerium beauftragter Staatskommisar beschied, "daß die Gemeinde auf Grund ihrer finanziellen Verhältnisse als selbständige Gemeinde nicht mehr weiterbestehen kann." Am 1. Oktober 1938 wurde Neckargartach nach Heilbronn eingemeindet.
Im Spätsommer 1944 wurde am Ortsende Richtung Biberach das Konzentrationslager Neckargartach als Außenkommando des KZ Natzweiler-Struthof eröffnet (SS-Arbeitslager Steinbock). Die bis zu 1100 Häftlinge wurden in zwei Stollen im Salzbergwerk Neckargartach eingesetzt, wo die I.G. Farben AG Rüstungsgüter produzierte und die Lebensmittelfirma Tengelmann Waren lagerte. Aufgrund der miserablen Lebensbedingungen kamen bis zur Räumung des Lagers im April 1945 zahlreiche Häftlinge zu Tode. Auf dem KZ-Friedhof in der Böllinger Straße erinnert ein Mahnmal an die dorthin umgebetteten 246 Toten. Nach dem Abtransport ins KZ-Dachau werden dort am 27. April 1945 258 Neckargartacher Häftlingen als Zugang registriert. Was mit den übrigen 842 Häftlingen, die einst zur Mannschaft von Neckargartach gehörten geschah, läßt sich nicht genau klären. In Heilbronn sind 191 Todesfälle beurkundet. Im Städt. Krematorium Heilbronn führt eine Liste weitere 31 sowjetische und polnische Häftlinge auf.
Basierend auf dem Artikel Heilbronn-Neckargartach der freien Enzyklopädie Wikipedia unter der GNU Free Documentation License.
Quelle | Autoren und Artikelversionen