Geschichte
Das aus einem slawischen Platzdorf hervorgegangene Striesen wurde 1350 erstmals als Stresen urkundlich erwähnt, wobei der Name von einem Personennamen abgeleitet wurde (Dorf des Streza). Das Dorf, dessen Kern sich nördlich der heutigen Schandauer Straße befand, besaß ein Vorwerk und bestand aus mehreren Bauerngütern. Durch mehrfache Erbteilungen wurde dieses Vorwerk, welches sich im 14. Jh. im Besitz eines Dresdner Bürgers befand, schrittweise in Bauernstellen aufgeteilt. Da sich auf Striesener Flur einst ein alter Elbarm befand, waren die Böden um Striesen sehr fruchtbar, was die Entwicklung des Ortes positiv beeinflusste. Später wurde dieser Elbarm durch den um 1300 zur Entwässerung der Felder angelegten Landgraben genutzt.
Striesen unterstand 1445 dem Meißner Domstift und kam nach der Reformation zum Religionsamt sowie zum kurfürstlichen Amt Dresden. Von den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges blieb Striesen im Gegensatz zu seinen Nachbarorten verschont. Teile der ausgedehnten Dorfflur mussten 1676 an den Kurfürsten zur Anlage des Großen Gartens abgetreten werden. Trotzdem verblieben noch ausreichend landwirtschaftliche Nutzflächen, die im 18. Jh. durch 28 Bauern und Gärtner bewirtschaftet wurden. Hinzu kamen einige Häusler und Tagelöhner sowie Handwerker, die sich im Ort niedergelassen hatten. Der durch den Dorfkern führende Fahrweg nach Pillnitz wurde 1765 verlegt und umging so das Dorf. Aus diesem Weg entwickelte sich später die Chaussee, die heute als Borsberg- bzw. Schandauer Straße bezeichnet wird.
Schwer getroffen wurde Striesen während der Napoleonischen Kriege. Da der Ort im Vorfeld der Festung Dresden lag, wurden 1813 über 70 Gehöfte rund um den alten Dorfplatz bei Gefechten zwischen Franzosen und Russen niedergebrannt. Lediglich drei Gebäude blieben von den Zerstörungen verschont. Den Kampfhandlungen fielen auch vier um 1790 errichtete Windmühlen zum Opfer, an die heute noch die Gaststätte “Zum Windmühlenberg†erinnert. Erst nach Ende der Kämpfe konnten die Bewohner ihr Dorf wiederaufbauen, welches bis 1945 sein ländliches Aussehen behielt (Foto). Neben kostenlosen Holzlieferungen aus den königlichen Wäldern durften auch die Steine der nach 1813 abgetragenen Umfassungsmauer des Großen Gartens für den Aufbau verwendet werden. Auch die häufigen Überschwemmungen brachten Not und Leid über den Ort, so in den Jahren 1784 und 1845, wo weite Teile der Dorfflur bis zu zwei Meter hoch unter Wasser standen.
1856 begann mit der Errichtung des ersten Wohnhauses außerhalb des Dorfkerns ein neues Kapitel der Ortsgeschichte. Vier Jahre später wurde ein Bebauungsplan festgelegt, der auf schachbrettartigem Grundriss Parzellen zum Bau von Mietshäusern und Villen auswies. Nach amerikanischem Vorbild erhielten die neuen Straßen zunächst nur Zahlen und Buchstaben, bevor sich nach der Eingemeindung auch hier richtige Straßennamen durchsetzten. Die Bebauung war in offener Bauweise vorgeschrieben, so dass Striesen zu einem “grünen†Wohnvorort Dresdens wurde. Dieser Stadtteil, der sich auf den Flächen nördlich des alten Dorfes bis zum Blasewitzer Tännicht erstreckte, wurde als Neustriesen bezeichnet. Um die Jahrhundertwende hatte die Bebauung die Ortsgrenze erreicht. Da Striesen im Westen mittlerweile auch mit der ab 1874 angelegten Johannstadt zusammengewachsen war, wurde der Ort am 1. Juni 1892 mit ca. 11.000 Einwohnern nach Dresden eingemeindet.
Von wirtschaftlicher Bedeutung war Ende des 19. Jh. der Gartenbau, nachdem sich in Striesen über 50 Kunst- und Handelsgärtnereien niedergelassen hatten. Einige dieser Unternehmen erlangten Weltruf, wie die Gärtnerei Hermann Seidels, der durch seine Kamelien- und Azaleenzucht berühmt wurde. Auf Seidels Rhododendronpflanzungen geht auch die Anlage des Striesener Volksparkes zurück. Im Zusammenhang mit der fortschreitenden Bebauung mussten die meisten Gärtnereien um 1900 weichen und wurden nach Laubegast, Tolkewitz, Reick. Leuben und Dobritz verlegt. 1883/91 hatte Striesen als einer der ersten Stadtteile Straßenbahnanschluss nach Dresden erhalten. Für die religiöse Betreuung der Bewohner entstanden 1878/80 die Erlöserkirche und 1905/09 die Versöhnungskirche. Zeitgleich errichteten auch die Katholiken ein eigenes Gotteshaus, die Herz-Jesu-Kirche an der Grenze zur Johannstadt. Hinzu kamen mehrere Schulbauten sowie das katholische Kinderheim St. Vinzentius (heute Kapellknabeninstitut) an der Wittenberger Straße. An der Glashütter Straße wurde für den Vorort 1880 ein eigener Friedhof angelegt.
Obwohl bis 1900 die meisten Freiflächen um den früheren Dorfkern geschlossen worden waren, konnten in den folgenden Jahren durch zwei Wohnungsgenossenschaften neue Wohnsiedlungen an der Wormser und der Holbeinstraße sowie an der Junghansstraße errichtet werden. An Stelle früherer Kiesgruben entstanden Kleingartenanlagen. Erweiterungen erfolgten in den Zwanziger Jahren mit der Bebauung der Straßen um den Stresemannplatz in der Nähe des Großen Gartens.
Um 1900 begann in Striesen die zunehmende Industrialisierung, nachdem zuvor durch die strengen Bauvorschriften die Errichtung gewerblicher Anlagen nur sehr eingeschränkt möglich war. Von überregionaler Bedeutung war die Striesener Kameraproduktion sowie die Zigarettenherstellung. Hinzu kamen Firmen der Kartonnagen- und Kunstdruckbranche. Bevorzugt siedelten sich diese Unternehmen an der Schandauer Straße an, wo mit dem Ernemann-Turm 1923 ein neues Wahrzeichen des Stadtteils entstand. Weitere bekannte Striesener Firmen waren das 1904 gegründete Mimosa-Werk zur Herstellung von Fotopapier an der Bärensteiner Straße sowie die Zigarettenfabriken Jasmatzi und Lande. 1912 entstand auf der Mosenstraße der Dresdner Kunstverlag, dessen Tradition ab 1952 vom “Verlag der Kunst†fortgesetzt wurde. Hinzu kamen zahlreiche kleinere Handwerksbetriebe, die in den Hinterhöfen der Striesener Wohnviertel Schuhe, Kinderwagen, Taschen und andere handwerkliche Produkte herstellten. Während derartige Gewerke überall erlaubt waren, durften sich Industriebetriebe nur auf den Flächen südlich der Schandauer Straße niederlassen, um einen ausreichenden Abstand zur Wohnbebauung zu gewährleisten. Mit der Industrialisierung wuchs auch der Arbeiteranteil in Striesen, wobei diese sich gern in einem der zahlreichen Tanz- und Versammlungslokale des Stadtteils trafen. Bekannte Treffpunkte waren neben dem “Sächsischen Prinzen†auch Hammers Hotel an der Augsburger Straße und das Volkshaus Ost, welches heute als Programmkino genutzt wird.
Diese Tradition lebt heute in der SG Dresden Striesen fort: der unterklassige Fußballverein nannte sich nach der deutschen Vereinigung (1990) kurzzeitig Dresdner SV 10 – nach einem der erfolgreichsten deutschen Arbeitersportvereine (zwischen 1924 und 1932 insgesamt sechsmal ATSB- bzw. Rotsport-Meister).
Die Luftangriffe vom Februar 1945 trafen auch den Stadtteil Striesen und richteten hier erhebliche Verwüstungen an. Vor allem die Gebäude des früheren Dorfkerns fielen mit wenigen Ausnahmen den Bomben zum Opfer. Getroffen wurden auch die Wohn- und Gewerbegebiete an der Borsberg- und der Schandauer Straße, während die Villenviertel relativ glimpflich davonkamen. 1955/58 begann in Striesen der Wiederaufbau, wobei an der Borsbergstraße zum ersten Mal in Dresden Großblockbauten errichtet wurden. Bis 1970 konnte der Aufbau des neuen Ortszentrums mit Gaststätten und Läden abgeschlossen werden. Nach 1990 begann die Sanierung der vorhandenen Altbausubstanz, so dass Striesen heute wieder zu den gefragtesten Wohnlagen in Dresden gehört. Im früheren Stammhaus der Ernemann-Werke, zuletzt vom VEB Pentacon genutzt, haben seit 1997 die Technischen Sammlungen der Stadt Dresden ihren Sitz. Striesener Industrietraditionen werden heute von der f6 Cigarettenfabrik fortgeführt, während die Kameraherstellung nach vergeblichen Rettungsversuchen mittlerweile eingestellt wurde.
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