Geschichte
Das steirische Fürstengeschlecht der Traungauer starb im Jahre 1192 aus. Die Babenberger erbten dann das Herzogtum Steiermark mit der Grafschaft Pitten (das sind ungefähr die heutigen Bezirke Wiener Neustadt und Neunkirchen). Bis in das 16. Jahrhundert blieb die Grafschaft Pitten steirisch.
Der Babenberger Herzog Leopold V. konnte 1194 aufgrund des Lösegeldes, das er für den englischen König Richard Löwenherz erhielt, die Neustadt (Nova Civitas) ausbauen. Anfangs diente sie vor allem als Grenzfestung gegen Ungarn. Der Stadt wurden wichtige Privilegien erteilt, um ihr Gedeihen zu fördern.
Im 15. Jahrhundert erlebte Wiener Neustadt eine Blütezeit, da Kaiser Friedrich III. sie neben Graz als Residenz nutzte. Die Wappenwand an der Burg zeigt ihn inmitten der Wappen seiner Besitzungen. Auch sein Sohn Maximilian I. hielt Hof in Wiener Neustadt, wo er auch in der St.-Georgs-Kathedrale seine letzte Ruhe fand.
Im Jahre 1469 wurde auf Betreiben Friedrichs III. das Bistum Wiener Neustadt gegründet, welches aber aufgrund des Widerstands der für Niederösterreich zuständigen Bischöfe vom Passau nur für die Stadt selbst zuständig war und nicht zum Landesbistum ausgebaut werden konnte.
Spätestens seit der Mitte des 13. Jahrhunderts ist eine jüdische Gemeinde in Wiener Neustadt belegt. Da die Stadt zur Steiermark gehörte, blieben die Juden sowohl von den Verfolgungen des Jahres 1338 als auch den Pogromen zur Zeit der Pest (1348/49) verschont. Auch die Zerstörung der Wiener Gemeinde (Wiener Gesera, 1420/1421) blieb für die Wiener Neustädter Juden ohne Folgen - was aber nicht ausschließt, dass sie Anfeindungen, Diskriminierungen und Beschränkungen unterworfen waren. Als Wohnsitz von Rabbiner Israel Isserlein, an den Anfragen aus zahlreichen jüdischen Gemeinden gerichtet wurden, war die Stadt im 15. Jahrhundert ein Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit. Das Ende der jüdischen Gemeinde kam, als Maximilian I. im Jahr 1496 die Vertreibung aller Juden aus der Stadt verfügte und ihnen "auf ewige Zeit" verbot, sich erneut hier niederzulassen. Wenigstens erfolgte die Maßnahme nicht in Form eines Pogroms, sondern einer organisierten Ausweisung. Erst im 19. Jahrhundert konnte in Wiener Neustadt wieder eine jüdische Gemeinde entstehen.
Nach einer fast zweijährigen Belagerung der Stadt durch die Ungarn unter König Matthias Corvinus wurde Wiener Neustadt, auf ungarisch Bécsújhely, im August 1487 erobert. Der König schenkte den Wiener Neustädtern aufgrund ritterlicher Traditionen einen Prunkpokal, den so genannten Corvinusbecher. Erst 1490 gelang es König Maximilian I., seine Vaterstadt zurückzuerobern.
Im 16. Jahrhundert verlor Wiener Neustadt den Status einer Residenz und büßte an Bedeutung ein. Ihre Funktion als Bollwerk gegen Türken und Kuruzen erfüllte sie auch weiterhin.
Erst 1751 erlangte Wiener Neustadt wieder größere Bedeutung, als Maria Theresia beschloss, in der kaiserlichen Burg ein adeliges Kadettenhaus einzurichten. Die Theresianische Militärakademie nahm 1752 den Unterricht auf und besteht mit nur kurzen Unterbrechungen bis heute.
Ab dem 17. Jahrhundert setzte sich langsam die Bezeichnung Wienerische Neustadt und schließlich Wiener Neustadt durch, vor allem um eine Unterscheidung zu den anderen gleichnamigen Orten ("Neustadt") im Kaiserreich zu bieten, die jedoch allesamt von Wien weiter entfernt lagen.
1768 erlitt Wiener Neustadt schwere Schäden aufgrund eines Erdbebens. Die Burg, die beträchtlich in Mitleidenschaft gezogen wurde, benötigte einen Wiederaufbau, der nach den Plänen des Baumeisters Nikolaus Pacassi erfolgte.
1785 veranlasste Kaiser Joseph II. die Transferierung des Bistums von Wiener Neustadt nach St. Pölten. In der Folge wurden alle Klöster in Wiener Neustadt mit Ausnahme des Zisterzienserstiftes Neukloster und des Kapuzinerklosters aufgehoben. In den frei gewordenen Gebäuden wurden Manufakturen eingerichtet, die den Grundstein für die Industrie in Wiener Neustadt bildeten. War es zunächst Textilindustrie, folgten zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine Papierfabrik, eine Zuckerfabrik und eine Tonwarenerzeugung.
Der Wandel zur Industriestadt begann mit der Eröffnung der Südbahn von Wien bis Wiener Neustadt im Juni 1841. Schon im folgenden Jahr wurde eine Lokomotivfabrik gegründet, aus der schließlich die Wiener Neustädter Lokomotivfabrik hervorging. Neben anderen Fabriken, die sukzessive entstanden, errichtete ab 1899 die Firma Austro-Daimler (eine Tochter der deutschen Daimler-Werke) in einer ehemaligen Maschinenfabrik eine große Fahrzeugfabrikation. Die Industrialisierung bewirkte starken Zuzug von Arbeitskräften, sodass Wiener Neustadt in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts die zweitgrößte Stadt Niederösterreichs (nach Wien) war. Äußeres Zeichen der gestiegenen Bedeutung war die Verleihung eines eigenen Statuts im Jahr 1866, das nach Wahlen im Jahr 1868 in Kraft trat.
Im Jahre 1909 wurde im Norden der Stadt ein Flugfeld errichtet. Bereits 1911 wurde in Wiener Neustadt die erste österreichische Flugwoche abgehalten. Das Wiener Neustädter Flugfeld diente den Flugpionieren Igo Etrich, Karl Illner und Adolf Warchalowski für ihre Flugversuche und war das erste offizielle österreichische Flugfeld.
Im Ersten Weltkrieg war Wiener Neustadt auf Grund seiner Industriebetriebe ein Zentrum der Rüstungsindustrie. Am 10. Juni 1916 forderte ein Tornado 32 Tote und 228 Verletzte; der Sachschaden war beträchtlich.
Die Folgen der Niederlage der österreichisch-ungarischen Monarchie im Ersten Weltkrieg führten zu einem Niedergang der Industrie. Mangels Nachfrage im klein gewordenen Wirtschaftsraum Österreich mussten die großen Fabriken schließen; die Flugzeugproduktion musste auf Grund des Vertrags von Saint Germain aufgegeben werden. Die Weltwirtschaftskrise tat ihr Übriges.
Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938 wurde in Wiener Neustadt kriegswichtige Industrie angesiedelt. Bereits 1940 produzierten die Wiener Neustädter Flugzeugwerke ein Viertel der Gesamtproduktion der Messerschmitt-109-Jagdflugzeuge. In den Raxwerken, der ehemaligen Wiener Neustädter Lokomotivfabrik, wurde hier ab 1943 auch mit der Montage von A4-Raketen begonnen.
Aufgrund dieser Konzentration von Kriegsindustrie und der britischen "moral bombing"-Strategie wurde die Stadt im Zweiten Weltkrieg nahezu vollständig mit rund 50.000 Bomben in Schutt und Asche gelegt. Damit war Wiener Neustadt praktisch komplett zerstört, da von den damals 3.000 Gebäuden nur 18 unversehrt blieben.
Für den Wiederaufbau rief 1946 die Stadtverwaltung die Bevölkerung zum freiwilligen Arbeitseinsatz auf, um tausende Tonnen Schutt aus der Stadt zu entfernen. Als 1955 Österreich durch den Staatsvertrag seine Souveränität wiedererlangt hatte, war auch der Wiederaufbau der zerstörten Stadt großteils abgeschlossen.
Basierend auf dem Artikel Wiener Neustadt der freien Enzyklopädie Wikipedia unter der GNU Free Documentation License.
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