Geschichte
Wildenthal ist, wie der Eibenstocker Chronist Johann Paul Oettel 1748 meldet,
aus rauher Wurtzel, und zwar von dem Herrn Grafen Anarg Friederich, Herrn zu Wildenfelß, und Hauptmann des Voigtländischen Creyßses erbauet, und der Nahme Wildenthal (Weil dieses der jüngste Hammer ist, der in hiesiger Gegend erbauet worden, so wird er noch ietzo der Neue Hammer genennet.) gegeben worden, und giebt doch iezt in der Viehzucht keinem nichts nach, vielmehr ist dieses der beträchtlichste und von einer grossen Anzahl Menschen bewohnte Hammer. Er lieget an der grossen Bockau, und hat die schönsten Eisen-Zechen in der Nähe.
Rund um Wildenthal, vor allem am Auersberg zeugen Pingen, Halden, alte Stollneingänge und die Raithalden der Zinnseifen von alter Erzgewinnung. Im ganzen sollen es ca. 300 Bergwerke am Auersberg gewesen sein. Als ältestes Bergwerk wird die „Bärenzeche" bezeichnet.
Der 10. September 1598 gilt als Gründungsdatum des Ortes. Die Erben des Gründers Anarg Friedrich von Wildenfels verkauften schon 1611 das Werk an Wilhelm Friedrich von Milkau, dem Besitzer des Edelhofes Alberoda bei Aue. Aber auch dieser gab bald nach Erhalt eines Privilegs den Hammer an den Zehntner Jacob Seeling aus Schneeberg ab. Als Pächter erscheint später der Hammermeister Hieronymus Müller von Berneck, der zeitweise auch den Auerhammer leitete.
1647 verkauften die Gebrüder Helfrich Wildenthal für 3300 Gulden an Michael Gottschaldt. Dieser erbaute einen zweiten Stabhammer und erwirkte am 25. August 1655 ein neues Privileg des Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen. Darin wird auch ein Hochofen, ein Blechhammer und ein Zinnhaus sowie das Schlachten, Brauen, Backen, Schenken gegen Entrichtung der gewöhnlichen Trank- und Fleisch-Pfennigsteuer bewilligt. Damit entstand in Wildenthal wohl das Brauhaus, das lange Zeit neben Drechslers Hotel stand und von dem heute noch ein Keller existieren soll. Übrigens war es derselbe Kurfürst, der beeindruckt von der Schönheit des Berges und seiner herrlichen Rundsicht einen Holzturm auf den Auersberg errichten ließ und Johanngeorgenstadt seinen Namen gab.
Michael Gottschaldt sagte von sich, er habe bis 100 000 Gulden ins Bergwerk gesteckt und in elf Jahren über 7 000 Gulden Amtsabgaben bezahlt. 1656 wird Wildenthal unter den Werken genannt, die Eisen für den Marstall nach Dresden zu liefern haben. 1658 ist es mit Abgaben an das Amt Schwarzenberg rückständig. Viele Akten handeln von Holzschlag und Geleit. Eine Notiz von Magister Christian Lehmann im „Historischen Schauplatz derer natürlichen Merkwürdigkeiten...“ verrät auch den volkstümlichen Spitznamen von Michael Gottschaldt: „Holzmichel, der Hammerherr von Wildenthal, hält seinen Kindern einen Studiosus als Präzeptor." So ist wohl dieser Gottschaldt einer der berühmtesten Wildenthaler – eben „dr Holzmichel“.
In den Händen der Familie Gottschaldt blieb Wildenthal, mit kurzer Unterbrechung um das Jahr 1780, bis nach 1820. Im Jahre 1812 waren 26 Arbeiter hier beschäftigt. 1830 bestand das Werk aus zwei Frischfeuern, einer Zainhütte, einer Blechhütte und wurde von fünf Meistern geleitet. 1835 kamen ein Blechwalzwerk und die erste Nagelfabrik Sachsens dazu.
1826 schreibt August Schumann: Wildenthal gehört unstreitig zu den dürftigsten Orten Sachsens, und das zeigt sich am allermeisten in der Kleidung oder vielmehr Nichtbekleidung der Kinder. Durchreisenden wurde empfohlen, stets einige Kupferpfennige in der Tasche für die bettelnden Kinder bereitzuhalten.
1836 geht Wildenthal an Herrn von Querfurth auf Schönheiderhammer über. In deren Besitz blieb wohl das Hammerwerk bis zu dessen Niedergang.
1848 schildert Johann Traugott Lindner in seinen „Wanderungen durch die interessantesten Gegenden des Sächsischen Obererzgebirges" den Ort folgendermaßen: Tief, aber immer noch in einer Meereshöhe von 2250 Fuß eingebettet, liegt das Eisenhüttenwerk gleiches Namens in der Umarmung des Auersberges und des Zeisiggesanges. Die große Bockau durchrauscht das Oertchen, dreht das gangbare Zeug in Hütten und Hohofen, sendet von hier aus seinen halben Wasserschatz mittelst des sogenannten Grünergraben für ökonomische Zwecke nach Eibenstock, während die andere Hälfte in seiner engen Wiege über Granitblöcke hinab nach Unterblauenthal in die Mulde strömt [...] Das Herrnhaus in Wildenthal schaut von einer Anhöhe, wie sich's gebührt, überlegen auf eine Schaar ärmlicher Hütten hernieder, zwischen welche sich jedoch seit mehrern Jahren ein freundliches Posthaus, [...] so wie ein restaurirtes Wirthshaus eingeschoben haben. Man sieht es diesen Gebäuden an, daß sie in Privathänden sind. Ueberraschend ist das fiscalische Forsthaus, im italienischen Styl vor ungefähr ein Dutzend Jahren erbaut. (1834)
Weiter schreibt er: Das Oertchen hat seit etwa 20 Jahren an seiner Wildheit gar sehr verloren: es führt eine Chaussee nach Karlsbad hindurch, die in der Badesaison sehr lebendig wird; der Besitzer des Werkes und noch einige andere Einwohner sind theils wisenschaftlich gebildet, theils sonst gut unterrichtet, was zur sittlichen Abrundung der geistesarmen Bevölkerung der Vergangenheit viel beitragen mußte und sich auch jetzt schon dadurch kund giebt, daß man gern aus der Nachbarschaft Parthien dahin macht und sich von der wildromantischen Natur umarmen läßt, Kaffee trinkt und Forellen speis´t.
1860 kam als erster Sommergast der Theologe und spätere Professor für Geografie an der Universität Leipzig, Dr. Otto Delitsch, nach Wildenthal. Seine Aufsätze über das Erzgebirge haben den weiteren Reise- und Wanderverkehr des Erzgebirges wesentlich gefördert. Ihm zu Ehren ist 1907 ein Gedenkstein gegenüber dem im Jahre 2000 abgerissenen Hotel „Am Auersberg“ (zuvor Hotel Drechsler) errichtet worden.
Wildenthal wurde eine der ersten Sommerfrischen des westlichen Erzgebirges. Der wachsende Fremdenverkehr brachte ein völlig anderes Leben in das Dorf. Während zunächst Kurgäste nach oder von Karlsbad ohne Zwischenstopp durch den Hüttenort reisten, machten die Postkutschen nach Einrichtung einer Nebenposthalterei in Wildenthal ab 1820 hier Halt zum Pferdewechsel. Erschütternde Schilderungen der Reisegäste über bettelnde Wildenthaler Kinder wichen bald den Berichten von den herrlichen Fichtenwäldern und der reinen Gebirgsluft. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts richteten sich viele Wildenthaler zur Aufnahme von Sommer-, später auch Wintergästen ein. Erwähnt seien die zwei stattlichen Gasthäuser - Drechslers Hotel am Auersberg und Gnüchtels Hotel zur Post - heute Hammerschänke, bis 1911 auch die Pension Meichsner im ehemaligen Herrenhaus, das am 10. November 1911 abbrannte. Bis heute erinnern ein noch vorhandener Keller und behauene Granitblöcke im Park an dieses Haus. Viele Häuschen wurden neu erbaut oder erweitert. "Herrlicher Luftkurort und Wintersportplatz", wirbt ein Prospekt aus den 1930er Jahren. Stephan Dietrich, besser als Saafnlob bekannt, schreibt über die Wildenthaler: "Sie sind alle nicht schlecht dran, wie man so sagt, weil sie ihre Häusle schön hergerichtet haben und an Sommer- und Wintergäste vermieten. Manchmal haben sie mehr Sommergäste als sie Einwohner sind."
Am 30. Dezember 1877 unternahmen die Schneeberger Seminaroberlehrer Dr. Köhler und Hermann Möckel, der Ratsoberförster Arnold und der Baumeister Görling wieder eine Schlittenfahrt durch das Auersberggebiet. Fasziniert vom Reiz der tiefverschneiten Wälder beschlossen sie bei der Einkehr im Drechslers Gasthof in Wildenthal, für das Erzgebirge einen Heimat- und Wanderverein zu gründen. Am 5. Mai 1878 wurde dann der Erzgebirgsverein in Aue gegründet. Gerade in Wildenthal ist der Erzgebirgsverein sehr rege gewesen und das hing wohl auch mit dem Hausberg, dem Auersberg, zusammen.
Zur Belebung des Fremdenverkehrs hat auch die Wiedereinrichtung des Postkutschenbetriebes durch die Deutsche Reichspost gedient. Sie befuhr Ende der 1930er Jahre ein Teilstück der 1698 eingerichteten Postkutschenverbindung zwischen Leipzig - Schneeberg - Wildenthal - Johanngeorgenstadt - Karlsbad und machte in Wildenthal Station. Die Tagespresse berichtete im August 1938: Das war eine Begeisterung, als die wiedererstandene Postkutsche Anfang dieser Woche ihre erste Probefahrt unternahm, vom Radiumbad Oberschlema in das Auersberggebiet. Die herrliche gelbe Kutsche mit vier Rappen ... . Gemächlich soll man wieder einmal durch das Land fahren ..., wie Weiland der Geheimrat von Goethe ..., die Schönheiten nahe am Rande des Weges und in der Ferne in aller Ruhe genießen ... und Wege soll man fahren, die dem Auto verschlossen sind.
Vom 2.Weltkrieg blieb Wildenthal weitestgehend verschont. Auf dem Auersberg wurde eine Flak-Stellung errichtet und zum besseren Schutz des Luftraumbeobachtungspostens vor widrigen Witterungseinflüssen erhielt die Aussichtsplattform des Turmes 1940 ihre hölzerne Haube.
Unmittelbar nach Kriegsende gehörte die Gemeinde zur so genannten Freien Republik Schwarzenberg, das heißt der Ort war militärisch nicht besetzt. Mal ließen sich die Amerikaner und dann wieder die Russen sehen. Schließlich wurde das Gebiet doch der Sowjetischen Besatzungszone zugeschlagen, wohl im Tausch gegen einen Teil von Berlin, da die Russen hier große Uran-Vorkommen vermuteten und dann auch tatsächlich um Schlema und Johanngeorgenstadt förderten. Ehemalige Wismut-Kumpel sagen, dass die erste sowjetische Atombombe mit Uran aus der Auersbergregion gebaut worden sei.
Nach 1945 hatte Wildenthal oftmals mehr Feriengäste als Einwohner. Während zunächst der Dorfklub ein reges sportlich-kulturelles Leben organisierte, übernahm später der FDGB-Feriendienst diese Aufgabe. Heute wird diese Arbeit durch den Heimatverein Wildenthal e.V. fortgeführt. 1965 erhielt der Ort, als einer der ersten im Westerzgebirge, das Prädikat "Staatlich anerkannter Erholungsort".
Die sich im Park des Herrenhauses von Wildenthal befindliche Ortspyramide, ist mittlerweile wohl eine der ältesten im Erzgebirge. Errichtet wurde sie von ortsansässigen Schnitzern 1961 in VMI. . Es stand bis 1972 im Park und wurde durch das damalige Hochwasser hinweggespült. Zum Hammerfest 2007 erfolgte die Einweihung eines neuen Modells am alten Platz. Es treibt in Anlehnung an die zwei ehemaligen Hammerwerke von Wildenthal zwei Hämmer an.
Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 100-jährigen Bestehen des Berggasthofes auf dem Auersberg wurde am 19.Mai 2007 auf Initiative des Wildenthaler Heimatvereins im Park auch ein Jubiläumsstein mit Gedenktafel enthüllt. Einige Tage vorher war eine Weißtanne gepflanzt worden, in Anlehnung an die alte Riesentanne am Ellbogenweg, die bis zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts über 400 Jahre auf die Entwicklung im Tal herabblickte.
Heute liegt Wildenthal inmitten von Bergwiesen im FFH-Gebiet „Tal der Großen Bockau“ am Rande des Europäischen Vogelschutzgebietes „Westerzgebirge“ und bietet zahlreiche Erholungsmöglichkeiten. Zugleich ist es Ausgangspunkt für Fuß- und Skiwanderungen auf den Auersberg, Brückenberg, Schöne Aussicht und Leistnerhübel oder über den an der Kammloipe gelegenen Grenzübergang zwischen Oberwildenthal und Jelenà weiter ins Böhmische. Zahlreiche Radfahrer, Fuß- und Skiwanderer nutzen diesen im Volksmund als "Eisernes Tor" bezeichneten Grenzübergang für interessante Ausflüge.
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